Auch Satiriker haben ihre romantischen Stunden!
Herbstlaub
Oktober war’s, zur Drachenzeit
und die Natur war schon bereit
den nahen Winter zu begrüßen;
doch diesen Tag wollt’ sie versüßen
und zeigte mir nach kühler Nacht,
des bunten Herbstes schönste Pracht!
Und schon begannen sie zu wanken;
die jahreszeitlichen Gedanken,
die ja noch vor wen’gen Tagen,
die Sommerzeit ganz hoch getragen.
Und davor war - vorbei so schnell,
die Frühlingszeit ganz aktuell.
Ein Windstoß brachte mich zum Glück,
von Träumerei ins Jetzt zurück.
Und nicht nur das, er wirbelt wild,
gefall’nes Laub zu buntem Bild.
Und wieder regt es mich zum Denken,
will neue Träumereien schenken!
Wie dieser wilde Blätterhauf’,
war so nicht auch mein Lebenslauf?
Mal auf, mal ab, mal kreuz und quer,
ein Blättchen nur im Blättermeer,
das flüchtig küsst den Stamm der Linde,
verkuppelt von dem groben Winde,
denn mitten in dem bunten Treiben,
da gibt es kein Zusammenbleiben!
Doch Halt! Da ist ein Blatt mit Zacken.
Noch grün, doch schon mit dunklen Macken,
das sich fest geklammert hat,
an ein andres Zackenblatt.
Durch ihren Halt sind diese Beiden,
nicht mehr allein im Blättertreiben.
Möcht’ auch das erste Blatt noch jagen,
das Zweite zwingt’s in ruhige Bahnen.
Ganz hoch im Baum da lebten beide;
hatten dort ihre Lebensfreude,
bis sie nach vielen Sommerspielen
im Herbste langsam abwärts fielen.
Wär’ ich ein Blatt in der Natur,
und würd’ es Herbst, ganz langsam nur,
dann wär’ ich gern’ ein Blatt mit Zacken,
und dann wollt’ ich ein andres packen,
weil nur ein doppeltes Gespann,
dem wilden Herbstwind trotzen kann.
Doch eines geb’ ich gerne zu:
Ich wünscht’, das andre Blatt bist DU!
© Erwin Grab, 2001
Verständnis? NEIN!
Aber: Sowas kommt von Sowas!
Gamals Traum"Ich werde einmal Ingenieur!"
Sagte Gamal, und er war erst acht.
"Ich seh vor mir ein Häusermeer
Mit hellen Lichtern in der Nacht.
Auch will ich Straßen, Brücken bauen
Und eine Universität.
Die ganze Welt soll auf uns schauen,
Und staunen über das, was steht!"
Dort, wo seine Heimat wär,
Seit vielen Generationen,
Da war jetzt fremdes Militär;
Ließ sie dort nicht mehr wohnen.
Zurück durften sie nicht gehn;
Das Leben war sehr schwer.
Gamal wurde jetzt schon zehn,
und sprach: "Ich werde Ingenieur!"
Dann standen Panzer vor dem Haus.
Doch Gamal kannte diese schon.
Er lief zum großen Platz hinaus,
Und sah die Strafaktion.
Das Ende dieses Kriegs war offen;
Der Grund dafür schon einerlei.
Die Schule wurde heut' getroffen,
Und Lernen war für ihn vorbei.
Mit zwölf, fast war er schon ein Mann,
Wollt' man ihn zu den Waffen werben.
"Nein! Euer Krieg geht mich nichts an!"
Dann sah er seinen Bruder sterben.
Ein Terrorist sei er gewesen,
Für den der Tod die Strafe ist,
War in der Zeitung dann zu lesen.
Ein Wort, das Gamal nie vergisst.
"Als Terrorist will ich nicht enden,
Ich will auch keine Toten mehr!
Zum Guten wird sich alles wenden,
Und dann werd ich ein Ingenieur!"
Vierzehn war er grad geworden,
Und träumte seinen großen Traum.
Abgestumpft von all den Morden,
war in ihm nur noch dafür Raum.
Und doch, trotz dieser heißen Glut,
Da wuchs in seinem Herzen
Eine abgrundtiefe Wut;
Denn sein Volk litt große Schmerzen.
Und so war er gern bereit,
Die Freunde zu begleiten.
Mit sechzehn kam für ihn die Zeit,
Für den gerechten Sieg zu streiten.
Sein Freund war nur noch das Gewehr,
doch lernte er, es zu hassen.
"Ich wär so gerne Ingenieur!"
Er konnte von dem Traum nicht lassen.
"Du bist für Anderes geboren!
Du kommst direkt ins Paradies!
Gott selber hat Dich auserkoren!"
Mit achtzehn sagte man ihm dies.
Von Jungfraun würde er empfangen,
Vor Gottes Thron geleitet dann.
Nur wenige würden dies erlangen.
Jetzt war er ein heiliger Mann.
Mit Sprengstoff war er reich bepackt;
Doch in der Menschenmenge,
Da fühlte er sich plötzlich nackt.
Fremd war dieses Stadtgedränge.
Dann hob er trotzig seinen Kopf.
Das Träumen fiel ihm nicht mehr schwer.
"Jetzt drück ich diesen kleinen Knopf!
Im Paradies werd‘ ich dann Ingenieur!"
© 2006 Erwin Grab
Ist die "braune Brut" so ernst, dass man nicht darüber lachen darf,
oder ist sie so lächerlich, dass man sie nicht ernst nehmen kann?Entscheiden Sie selbst!
Es sprach zur Gattin einst ein Mann:
"Ich seh' mir diesen Umzug an.
Die 'Braunen' ziehen durch die Gassen,
weil sie die Anderesdenkenden hassen.
Es ist so schön, sich anzuschaun,
wie die sich mit Polizisten haun."
Er packt den Baseballschläger ein,
um für den Protest bereit zu sein.
Die Gattin sah's mit großen Sorgen,
denn sie dachte an den nächsten Morgen.
Immer wenn der Gatte Braune hetzt,
wird er meistens schwer verletzt.
Denn wer mit Baseballschlägern winkt,
am Ende meistens selber hinkt.
Beim letzten Marsch hat’s ihren Tropf
sogar erwischt an seinem Kopf.
Wohl sah sie die Notwendigkeit
zu protestieren allezeit
mit Engagement und großem Mut,
gegen diese Nazi-Brut,
die stumpfsinnig durch die Stadt marschiert,
und andere Menschen provoziert.
Doch dann gibt’s meistens, eins zwei drei
die schönste Massenkeilerei.
Sie dachte: „Muss das wirklich sein?“
Da fiel ihr das alte Märchen ein,
wo zwei Gauner, ungelogen
einen Kaiser angezogen
mit Kleidern, die kein Mensch gesehen.
Das ist wirklich mal geschehen.
Ein Kind die Wahrheit dann erkannte,
worauf der Kaiser schneller rannte.
Der Gatte war schon in Aktion,
da nahm sie ihren kleinen Sohn.
Sie zog ihm warme Sachen an
Und stieg dann in die Straßenbahn.
ie Innenstadt war abgeriegelt
beide Fronten aufgewiegelt.
Es gab kein vor und kein zurück,
von Ferne kam schon Marschmusik.
Mit Springerstiefeln, Lederjacken,
den Kopf rasiert bis in den Nacken,
im Gleichschritt, wie beim Militär,
mit stumpfem Blick, so ungefähr,
mit Transparenten in den Klauen,
im Kopf die Absicht zuzuhauen
walzt diese braune Masse an;
weil sie außerdem nichts kann.
Die ersten Steine flogen schon
da kam die Mutter mit dem Sohn
am Orte des Geschehens an.
da tobt der Mob, da blüht der Wahn.
Da sah der Sohn diese Gestalten
Und konnt sich kaum vor Lachen halten.
„Mammi schau doch, diese Glatzen!“
Und wollte schier vor Lachen platzen.
„Die sind so komisch wie ein Clown.
Nur der war bunt, und die sind braun!“
Und plötzlich schweigt die Menschenmenge
Und jeder sieht in dem Gedränge
Nur dieses kleine Kind.
Und dann, weil Menschen halt so sind
Stimmt alles in das Lachen ein
Und lässt das Steinewerfen sein.
Aus jedem prustets laut heraus
Und alles lacht die Braunen aus.
Die stehen da wie angeschmiert
Und merken bald, wir sind blamiert.
Der Gleichschritt stockt, Musik ist stumm.
Und plötzlich kehren alle um.
Kleinlaut und ängstlich wie die Hennen
Wollen sie nur nach Hause rennen.
Und was lernen wir daraus:
"Lächerliche lacht man aus!“
© Erwin Grab 2012